Territorialanalyse oder die Suche nach der natürlichen Telefonzelle
Territorialanalyse oder die Suche nach der natürlichen Telefonzelle
„Wer hat das Wasser dort lokalisiert, wo es jetzt ist? Der spirituelle Vater war es, der Seen, Flüsse und Regen hinterlassen hat, damit sie sich um die Kinder (Tiere, Bäume, Pflanzen, Lebensmittel…) kümmern – jetzt und in Zukunft.“
Für die Kogi ist das Hüten und Bewahren (Kümmern) von „heiligen“ Orten zentral und selbstverständlich. Orte, wo die ursprüngliche Ordnung gespeichert ist und an denen die natürlichen Gesetze für das lokale Ökosystem ungestört wirken können – diese Orte verwalten sich sozusagen aus sich selbst heraus, wenn man sie lässt. Und darum geht es den Kogi: um den Schutz des Ursprungs und das Ungestörtsein der natürlichen Systeme – so wie die spirituellen Väter und Mütter es uns hinterlassen haben.
Auf dem Scheuerhof Permakultur in Wittlich haben wir einen Einblick in diesen gelebten, intensiven Kontakt der Kogi mit der Natur erhaschen dürfen. Unter der Überschrift „Territorialanalyse“ fand zusammen mit den Kogi eine Begehung des Scheuerhofes (Schwerpunkt ganzheitliches Weidemanagement) kombiniert mit dem Hineinspüren in die natürliche Ordnung der umgebenden Landschaft statt.
Die Maare und der Neuerburger Kopf nahe dem Scheuerhof Permakultur in Wittlich
Der Scheuerhof liegt südlich – ganz nah – an der westlichen Vulkaneifel, dort, wo während der jüngsten Erdgeschichte (Quartär) vulkanische Erscheinungen das sehr alte – bis ca. 400 Millionen Jahre – Rheinische Schiefergebirge durchbrochen haben und heute ein einzigartiges Landschaftsbild aus Maaren, Kratern, Vulkankuppen, Schlackenkegel und Lavaströme geschaffen haben. Es gibt hier übrigens insgesamt ca. 50 Maare. Allerdings sind nur noch wenige mit Wasser gefüllt – und nur die kreisrunden mit Wasser gefüllten Maare fallen heute besonders ins Auge.
Das Umfeld des Scheuerhofes ist Teil einer alten geologischen Senke – die Wittlicher Senke. Das ist eine Beckenstruktur – wie eine große Mulde – in der sich im alten Perm (vor ca. 300-260 Millionen Jahren) Abtragungsmaterial aus höher gelegenen Bereichen des damals jungen Rheinischen Schiefergebirges (Varisziden) durch Erosion abgelagert hat: die rötlichen Sandsteine des “Rotliegenden“. In den darauffolgenden 10 Millionen Jahre senkte sich dieser Bereich noch stärker und sehr großräumig ab, sodass ein riesiges Becken entstand, das mit Meerwasser geflutet wurde. Dieses Zechsteinmeer erstreckte sich vom heutigen England bis ins heutige Baltikum und vom heutigen nördlichen Nordseeraum bis ins heutige Südwestdeutschland.
Die Sandsteine des Rotliegenden findet man heute im Neuerburger Kopf und im Lüxemberg in unmittelbarer Nähe des Scheuerhofes. Obwohl diese Kuppen Vulkankuppen vortäuschen, sind sie es nicht. Ihre Erscheinung haben sie aber trotzdem Vulkanen zu verdanken, die hier wohl vor 108 Millionen Jahren tätig waren (und damit deutlich früher als der „Maarvulkanismus in der Eifel“). Sie verkieselten die permischen Sandsteine und machten sie besonders hart und wetterresistent. So wurden sie nicht wie das umliegende Gestein erodiert (seit der Kreidezeit sind 100 m Sedimente abgetragen worden) und stehen bis heute als „Kuppen“-Zeugen vergangener Karbon/Perm – und Kreide – Zeiten neben dem Scheuerhof.
Heilige Orte sind wie Telefonzellen, wo die Kräfte und Impulse aus der Natur von uns Menschen verstanden werden
Die Kogi zog es deutlich zu den beiden Kuppen – Neuerburger Kopf und Lüxemberg – und sie bezeichnen sie als heilige Orte, wo sich die spirituellen Väter und Mütter treffen, sich austauschen, die Naturelemente verwalten und „großräumige Strategien“ für die Landschaft festgelegen. Ein entscheidendes Thema ist das Wassermanagement, denn Wasser verbindet alles miteinander und verbreitet Informationen nach überall – dabei sollte das Wasser am besten unbelastet und ursprünglich sein. Und jetzt ist die Zeit, wo sich die spirituellen Väter und Mütter weltweit besprechen, wie es weiter gehen soll.
Grundsätzlich empfehlen uns die Kogi, solche heiligen Orte aufzusuchen, denn hier können wir die natürlichen Gesetze wahrnehmen und verstehen – halt wie eine Art natürlicher Telefonzelle, um mit der Natur zu kommunizieren.
Leider ist der Neuerburger Kopf teilweise bebaut, ganz oben gibt es einen kleinen Funkmast und eine Rasthütte und auf dem Weg nach oben wurde ein künstlicher Wasserspeicher mit Wasserrohren in den Berg eingebracht. Sie sind Teil eines weiträumigen menschlichen Eingriffes in den natürlichen Wasserhaushalt, der auch in den Grundwasserentnahmestellen auf den umliegenden Feldern sichtbar wird. Nach dem Empfinden der Kogi gehören alle diese Eingriffe durch den Menschen nicht an einen heiligen Ort. Bringen sie doch die natürliche Ordnung aus der Balance – das betrifft vor allem die Verteilung des Wassers sowohl in der Erde (Grundwasser) als auch oberirdisch (Regen). Und denkt man an die aktuellen Trockenperioden und Startregenfälle, scheint das natürliche hydrologische und hydrogeologische System ja wirklich irgendwie in Unordnung geraten zu sein.
Trotz dieser „Störungen“ empfehlen uns die Kogi den Gipfel des Neuerburger Kopf als einen Versammlungsort für die Gemeinde zu nutzen, um lokale Planungen zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. So wie es die natürlichen Kräfte hier auch tun! So könnten vielleicht Lösungen entsprechend der natürlichen Ordnung und zum Schutz der Umwelt gefunden werden – bewusst oder unbewusst- inspiriert von der Natur.
Geomantisches Seelenbild „Neuerburger Kopf“
Dass der Scheuerhof Permakultur von Viviane Theby und Karl Reißner, die mit ihrem ganzheitlichen Weidemanagement (das man hier übrigens auch erlernen kann) eine stete Verbesserung der Böden anstreben, gerade am Fuße des Neuerburger Kopfes liegt, ist sicher kein Zufall. Für mich tragen beide zusammen die lebendige Möglichkeit einer sich gegenseitig unterstützenden Symbiose und die Wiederherstellung der natürlichen Balance in sich: das Hüten eines heiligen Ortes und die kraftvolle Unterstützung aus der Natur für die Produktion gesunder Nahrungsmittel.
Die Reise zu den Kogi und dem Scheuerhof hat mir persönlich die Bestätigung geschenkt hat, dass die sensitive Wahrnehmung unserer Umwelt so sehr wertvoll ist und stets Basis für unsere Planungen sein sollte, um wirklich nachhaltig handeln zu können. Ich werde in Zukunft deshalb verstärkt an dieser Aufgabe festhalten und versuchen viele Planer und Gestalter dafür zu inspirieren, damit wir, unsere Umwelt, unsere Tiere und unser Klima die Chance haben, wieder in Balance kommen zu können.
Durch den Hinweis von Anja von Soilify (Plattform zur Förderung der regenerativen Landwirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz) auf einen besonderen Berg, habe ich vor dem Start des Workshops ein geomantisches Bild des Neuerburger Kopfes gezeichnet: Für mich stellt sich der Neuerburger Kopf als ein „feuriger“ Dom dar, auf dessen Kuppel ein großer Baum mit weit in das Land reichenden Ästen steht. In ihm selbst wächst ein neuer Baumsprössling heran. Seine Wurzeln reichen weit in das Erdinnere und verbinden sich gleichzeitig netzartig mit dem umliegenden Land. Unter dem mächtigen Wurzelwerk befindet sich eine tiefe Wasserquelle.
Nach Fertigstellung des Bildes hat es mich an Yggdrasil – den legendären Weltenbaum, der alle Kräfte und alles Wissen in sich trägt – erinnert.
Stefanie von Kompostino.
Damit toter Boden wieder lebendig wird und seine natürliche Speicherfähigkeit für CO2 und Wasser wiedererlangt.
Geologische Karte „westliche Vulkaneifel“ und „Wittlicher Senke“. Hier befinden sich die Kuppen Neuerburger Kopf und Lüxemberg, geformt aus verkieselten Sandsteinen, die der Erosion standgehlten haben. W.Meyer: Geologie der Eifel.